PROST MEIN SOHN!
Vor 18 Jahren bin ich grazil wie eine Gazelle mit 72 kg aus dem Wasserbett gekrabbelt. Nach zehn breitbeinigen Schritten war es dann soweit: explosion of the fruit ballon!
Oh oh, dachte ich mir, jetzt nur nicht in Panik verfallen. Es ist zwar zwei Wochen zu früh, aber die Zeit und ich sind definitiv reif dafür. Der ruf ins Schlafzimmer „Schatz, es ist soweit!“ ließ meinen Göttergatten schlagartig wach werden. Nach seiner verwunderten Frage, was wir nun tun müssten, bat er mich, ihm noch etwas Zeit zu geben, denn er wolle noch unter die Dusche.

Mit einem Plastiksackerl auf dem Sitz unseres roten zweier VW-Golfes versuchte ich einem weiteren Wasserschaden vorzubeugen und los ging die Reise: ab nach Schwaz. Puh, mit noch etwas verspieltem und jugendlichen Leichtsinn stieg ich ins Auto. Nichts ahnend, dass dies bald der verantwortungsvollen Mutterschaft weichen würde.

In Schwaz um 9:00 Uhr angekommen störten wir das Frühstück der Hebamme, die sichtlich genervt war, und sich von einer Erstgebärenden gar nicht aus der Ruhe bringen lassen wollte. Immerhin dauert es beim ersten Kind ja eeeewig und darauf sollte ich mich schon mal einstellen.

Mit einem lauwarmen Einlauf hatte ich gar nicht gerechnet. Beziehungsweise wusste ich bis dato gar nicht was das war. Tja, mit weit aufgerissenen Augen und zusammengekniffenen Pobacken versuchte ich wiederum grazil wie eine Gazelle das hinterste Zimmer im Gang rechtzeitig zu erreichen.

Für den werdenden Vater und meine Freundin Katharina, die übrigens schon über den errechneten Geburtstermin war, deshalb auch zufällig stationär im Krankenhaus verweilte und einen Tag nach mir gebären sollte, war ich in meinem weißen Hemdchen, mit sexy Rückenöffnung bestimmt ein schöner Anblick.

Um 10 Uhr lag ich also völlig entleert in einem Krankenbett und hatte kurz Zeit mich zu fragen, wie es jetzt wohl weitergehen würde. Just in diesem Moment kam sie, völlig unverhofft und in einer geballten Ladung, wie ich sie mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können: die erste Wehe.

Und sie war zugleich meine letzte Wehe. Denn ich merkte schnell, dass hier die Praxis von der Theorie ganz deutlich abweichen würde. Ich sehnte mich nach einem 5-Minuten-Wehen-Pausen-Takt, damit ich zumindest mal verschnaufen konnte, doch der kam nicht. Shit, ich hatte die Schwangerschafts- und Geburtsratgeber wohl umsonst gelesen.

Die Hebamme vermutete, dass es vielleicht kein Fehler sein würde, wenn wir uns langsam, zu Fuß, auf den Weg in den Kreissaal machen würden. Dieser lag im anderen Flügel des Krankenhauses und mir war unerklärlich, wie ich diesen Spaziergang schaffen sollte.

Gottseidank zog sich durch den Flur ein stabiler Handlauf, an dem ich mich immer wieder festkrallen und in die Knie gehen konnte. Oh mein Gott, mir wurde Angst und Bang!

Nachdem ich in der Halle, wo gefühlte 100 Fahrstuhltüren sich öffneten, einen unkontrollierten Schrei herausstieß und somit ein paar Mitmenschen aus ihren Tagträumen riss, waren wir endlich im Kreissaal angekommen. Lass es 11 Uhr gewesen sein.

In Zeitlupe nur hüpften die Zahlen auf der riesigen Digitalanzeige weiter, die ich vom Bett aus im Blick hatte. Diese eine Stunde bis zum Läuten der Mittagsglocken dauerte ewig. Ich war mittlerweile schon dort angelangt, an dem Punkt, an dem eine Gebärende glaubt, sie müsse sterben.

Mit einem Blick auf die Uhr versuchte ich mich selbst nochmals zu motivieren und gleichzeitig wusste ich, wenn ich es bis 12:30 Uhr nicht geschafft haben würde, dann würde ich sterben. Ich war mir ganz sicher.

Wie ferngesteuert hächelte und atmete ich nach Anleitung der Hebamme und drückte dabei so heftig die Hand meines wackeren Begleiters, dass er sie zwischendurch immer wieder mal ausschütteln und wechseln musste.

Seine Unerschrockenheit bewundere ich noch heute. Er stand auf, marschierte zur Hebamme, um die ganze Sache aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Währenddessen legte sich eine anwesende Ärztin quer über meinen Bauch. Ich wusste nicht wie mir geschah. Ich hörte nur die motivierende und eindringliche Ansage des werdenden Vaters, der sich ebenfalls nach einem Ende sehnte: „Conny, ich seh den Kopf. Komm schon, gib nochmal alles!“

Und darauf hin gab ich nochmal alles. Ich presste mit voller Kraft, mit der liegenden und drückenden Ärztin auf meinem Bauch, es machte SCHWUPP…. und da war er: unser strammer wackerer Sohn, heiß ersehnt und pumperlgesund.

Bis heute ist er seinem Motto treu geblieben, alles etwas früher zu schaffen, wie er es sich vorgenommen hat. Mit 1,5 Jahren in ganzen Sätzen gesprochen, mit 5 Jahren eingeschult, 8 Jahre Klassenbester, mit 17 den Führerschein gemacht. Ach ja, und mit 13 von den Zivilen beim Biertrinken erwischt.

In meinem Studium der Erziehungswissenschaft hatte ich gelernt, dass Kinder, die die Trotzphase im Kindesalter überspringen würden, dafür eine intensivere Zeit der Pubertät erleben würden. Auch das sollte sich bewahrheiten. Während unser Junge ein sehr ruhiger, braver und in sich ruhender Kerl war, taute er in der Pubertät erst so richtig auf. Ein Bekannter reagierte einst auf meine Klage darüber recht nüchtern mit den Worten: „Conny, er is a Schönherr.“

So haben wir diese Zeit zwar überstanden, allerdings nicht tadellos. Dafür können wir heute schon über so manche Geschichte lachen.
Ich kann in Worten nicht beschreiben, was mein Erstgeborener für mich bedeutet. Er hat mich zur Mama gemacht. Eine Rolle voller Gefühle, die ich bis dahin nicht kannte.

Ich bin unsagbar stolz auf meinen Sohn, der mich tagtäglich an seinen Papa erinnert. Der an einem Tag wie heute natürlich besonders fehlt, aber bestimmt ein paar Kreise über uns zieht, um auf uns herabzulächeln…

Mein Junge, feiere du heute dein Leben. So sehr, wie dein Papa vor 18 Jahren deine Geburt. Rock’n Roll!

Geh‘ deinen Weg. So gut ich kann, werde ich dich auch in Zukunft gerne begleiten. Ich hab‘ dich lieb!